Zur Erinnerung an Robert Franz
Article
- Full title: Zur Erinnerung an Robert Franz
- Publisher: Allgemeiner Verein für Deutsche Litteratur
- Place: Berlin
- Year of publication: 1896
- Published in: Fünf Jahre Musik [1891-1895] : (Der
- Language: German
Content
4.
Zur Erinnerung an Robert Franz.
(1892)
Mit Robert Franz ist der letzte aus jenem schönen Kreise geschieden, der in jugendlicher Begeisterung sich um die Bannerträger der musikalischen Romantik, um Mendelssohn und Schumann, geschart hatte. Die beiden Meister sind zuerst hinübergezogen; dann folgten David, Moritz Hauptmann Rietz, Volkmann, Bennet, Hiller, zuletz Gade. Nur um Klara Schumann, die Madonna der Davidsbündler – der Gott ein langes Leben schenke! – dämmert noch der letzte Nachglanz jener goldenen Leipziger Zeit. Robert Franz war eines der liebenswürdigsten, vornehmsten Talente dieses Kreises. Es wird häufig für einen guten Witz der Vorsehung gehalten, daß sie in „Robert Franz“ die Taufnamen von Schubert und Schumann prophetisch in einander klingen ließ. In Wahrheit war „Robert Franz“ nur ein Pseudonym und sein wiklicher bürgerlicher Namen Knauth. Vor fünfzig Jahren führte Schumann das erste Liederheft von Robert Franz in Oeffentlichkeit ein und charakterisierte den Komponisten treffend mit den Worten: „Er will das Gedicht in seiner leibhaftigen Tiefe wiedergeben“. Schließlich ermuntert er den jungen Künstler, daß er neue Kunstformen ergreife und sein reiches Innere auch anders auszusprechen versuche als durch die Stimme“. Diesem Wunsch und gutem Rat ist aber Franz niemals nachgekommen. Er hat nahezu 250 Lieder komponiert, nichts als Lieder. „Daß ich fast auschließlich die Lieder kultivierte“, erklärte er einem Freunde, „war zuerst die Folge eines unabweislichen Bedürfnisses; später über zeugte ich mich, daß in dieser Form mein eigentlicher Inhalt kulminierte. Grundsätzlich habe ich darum diese Bahn nicht wieder verlassen und werde mich schwerlich je entschließen, mein heil noch auf anderen Wegen zu suchen“. Der einsichtsvolle Entschluß eines Künstlers, sich streng innerhalb des Platzes zu halten, den er auszufüllen vermag, ist des größten Lobes wert – er deutet aber zugleich auf die Grenzen seines Talentes. Hätte Franz die reiche schöpferische Kraft eines Schubert, Mendelsohn, Schumann, Brahms besessen, sie würde mit unbezwinglicher Gewalt die Schranken des Liedes durchbrochen und sich über die benachbarten Gebiete ergossen haben. Hingegen war Franz unermüdlich bestrebt, auch das kleinste Lied zu einem Kunstwerk zu gestalten. In jedes seiner Lieder hat er sein volles Können, sein tieffstes Empfinden gelegt. „Sie kennen meinen Grundsatz“, sagte er, „nichts zu machen, das ich nicht machen muß“. Diese oberste Gebot eines unverbrüchlichen idealen Strebens hieß ihn auch jeder Konzession, sei es an das Publikum, sei es an die Sänger, aus dem Wege zu gehen. Franz besaß in hohem Maße die Gabe, den feinsten Duft eines Gebiets gleichsam einzufangen und jede Stimmung, jede Nuance einer Stimmung, getreu in Töne zurückzuspiegeln. Daher der stets sichere Eindruck, das unauflösliche [...]
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Fünf Jahre Musik [1891-1895]